Das Freifächerangebot an der Kantonsschule Schaffhausen ist gross und befasst sich mit inhaltlich wichtigen und spannenden Gebieten. Von musikalischem Unterricht über Religionen und Kulturen bis hin zu zeitgeschichtlichen Themen und sogar einem Einblick in die hebräische Schrift und Kultur steht all den Schülern, die aus ihrer Kantizeit mehr als nur die Abschlussnoten mitnehmen wollen ein grossartiges Angebot offen. Neu soll aber Interesse nicht mehr die einzige Voraussetzung zum Zugang zu den Freifächern sein, sondern auch und vor allem die Dicke des Portemonnaies der Eltern. Eine Kostenbeteiligung bei Freifächern oder mit anderen Worten die Einführung einer einkommensabhängigen Bildungsmöglichkeit plant der Kantonsrat zur Entlastung des eher von Steuererleichterungen für Reiche belasteten Kantonsbudgets einzuführen.
Wenn es nach einer Mehrheit des Kantonsrats geht soll künftig zwar das erste Freifach gratis bleiben, danach aber für jedes weitere gewählte Freifach im Jahr 100 Franken gezahlt werden. Der Instrumentalunterricht, bisher eine rege genutzte Möglichkeit zum Ausgleich nach strapazierenden Schultagen oder Lernabenden und zum Kennenlernen von neuen Instrumenten, soll künftig sogar mit 500 Franken pro Jahr möglichst keine interessierten Schüler anziehen. Dieser Massnahme aus dem EP 14, besser bekannt unter ESH4, hat der Kantonsrat letzten Montag in erster Lesung zugestimmt. Er stimmte damit nicht nur der Bestrafung von Schülern zu, die sich aus freiem Willen für gesellschaftlich und kulturell wichtige Themen interessieren, mit dieser Zustimmung brach er einen Grundsatz in unserem öffentlichen Bildungssystem, den Grundsatz der Chancengleichheit. Ein Schüler mit Eltern, die sich neben den bereits genug hohen Kosten für Bücher und sonstiges Material nicht auch noch ein Freifach leisten können, wird in Zukunft wegen der finanziellen Situation seiner Eltern nicht mehr den gleichen Zugang zu Bildung und Wissen haben, wie ein Schüler, dessen Eltern so etwas wie finanzielle Sorgen gar nicht kennen. Konsequent weiter gedacht führt dieses Verständnis des Bildungszugangs dazu, dass nur noch Schüler, die sich die Kanti auch leisten können zur Aufnahmeprüfung zugelassen werden. So weit gehen glücklicherweise wohl nur die wenigsten Sparfantasien, doch nur weil ein Rektor und ein Regierungsrat unter Spardruck diese Massnahme für das Bildungsangebot in Schaffhausen für verkraftbar halten, heisst das noch lange nicht, dass sie es für die Chancengleichheit in unserem Kanton auch ist. Diese Massnahme ist nämlich genau genommen kein Abbau am Bildungsangebot, sondern an der Möglichkeit dieses Bildungsangebot zu nutzen. Die Chance sich mit gesellschaftlich und kulturell so wichtigen Themen auseinanderzusetzen, wie sie in den Freifächern der Kantonsschule Schaffhausen vermittelt werden, sollen aber nicht nur Schüler und Schülerinnen mit reichen Eltern haben, diese Chance soll auch in Zukunft allen offen stehen. Wir werden, weil es vermutlich zu keiner 4/5 Mehrheit im Kantonsrat kommen wird, die Chance haben diese Massnahme in einer Volksabstimmung abzulehnen, damit es in Schaffhausen nicht bald heisst «Bildung? Nur gegen Bezahlung!».
08.09.2015